Erste Schritte im Cellhouse (149kb). |
Der Shower Room (165kb). |
Die Wäschekammer (185kb). |
Hier wurden neue Häftlinge eingekleidet (191kb). |
Durch einen kleinen Flur gelangen wir in den ersten großen Innenraum: der Duschraum. Dies ist eine große Halle, die einer Tiefgarage sehr ähnelt. Viele Betonsäulen stützen das Dach, unterhalb der Decke befinden sich frei schwebende Rohre. Durch bordsteinähnliche Bodenbegrenzungen ist der Raum seiner Funktionalität gemäß strukturiert. Es gibt keine Duschkabinen oder räumliche Abtrennungen. Es ist ein großer Duschraum für alle. Dieser ist quer im Zellentrakt angebracht, sodass nur an seinen schmalen Seiten Fenster für natürliches Licht sorgen. Ansonsten gewährleisten einfache Glühbirnen an der Decke nur eine schummrige Beleuchtung. An der hinteren Seite befindet sich hinter Gittern der Bereich, wo die Duschenden ihre Kleidung zur Wäsche abgaben und neue Insassen durchsucht und ihre neue Gefängnisuniform erhielten. Als Lektüre wurde ihnen ein Regelwerk ausgehändigt, das sie jederzeit in ihrer Zelle aufbewahren mussten. Es enthielt 53 Regeln, von denen Regel 5 eigentlich alles auf den Punkt bringt: "You are entitled to food, clothing, shelter and medical attention. Anything else that you get is a privilege." (Du hast einen Anspruch auf Essen, Kleidung, Obdach und medizinische Versorgung. Alles andere ist ein Privileg).
Die Duschen waren ein gefährlicher Ort, denn hier fanden immer wieder Schlägereien zwischen den Gefangenen statt. Drei Mal pro Woche wurden die Insassen mit heißem Wasser geduscht - sie sollten sich nicht an kaltes Wasser gewöhnen können, wie man es in der Bay vorfindet. Eine Rolle Toilettenpapier und ein Stück Seife wurden anschließend für die Benutzung in der Zelle ausgehändigt. In seinen letzten Tagen auf Alcatraz verweilte der mental angeschlagene Al Capone öfters im Shower Room mit seinem Banjo. Man erlaubte ihm, sein Instrument hier zu spielen anstatt sich mit den anderen im Exercise Yard aufzuhalten, wo er um sein Leben bangte. Der Shower Room ist übrigens nicht derjenige, der im Film "The Rock" gezeigt wurde, wo es eine Balustrade für das Wachpersonal gibt.
Der Audio Tour Walkman (258kb). |
Auf der der Wäscherei gegenüberliegenden Seite fällt ein großer Wassertank in einer Ecke auf. Gleich daneben gelangt man zur Ausgabestelle der Audio Tour. Mehrere Ständer mit den kleinen Abspielgeräten nebst Kopfhörern warten auf die Besucher. Ein freundlicher Angestellter fragt nach der Muttersprache und überreicht dann ein passendes Gerät. Verfügbar sind die Sprachen English, Spanisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Niederländisch und Mandarin. Wenn man nicht an der Audio Tour teilnehmen möchte, kann man sich 8 Dollar vom Tagesticket erstatten lassen (2007). Über 30 Soundtracks sind hierauf gespeichert, die man über die Eingabe der Tracknummer abspielen kann. Der Verlauf der Audio Tour Route ist ausgeschildert, und an den interessanten Stellen sind die zugehörigen Tracknummern auf einem Schild angezeigt. Ich kann jedem nur empfehlen, diesen kostenlosen Service in Anspruch zu nehmen. Die insgesamt 45-minütigen Erklärungen sind hervorragend, teilweise von ehemaligen Insassen und Angestellten kommentiert (in der englischen Version versteht sich) und akustisch derart stimmungsvoll untermalt, dass einem gelegentlich ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Mein Gerät hatte zwar nach Track 7 den Geist aufgegeben und war erst mit Track 30 wieder ins Leben zu rufen, aber die komplette Tour konnten wir in der verbleibenden Zeit eh nicht absolvieren. Einen weiteren Vorteil bietet diese Audiotour: Nahezu alle Besucher nutzen sie, weswegen es in den Räumlichkeiten ziemlich still ist. Man kann also trotz des Besucherstroms doch relativ ungestört auch mal die Eindrücke auf sich wirken lassen, ohne durch ständiges Gebrabbel abgelenkt zu werden; jedenfalls in den nicht so stark frequentierten Innenbereichen. Schließlich kann man den Audioplayer jederzeit anhalten. Außerdem sorgt diese mehr oder weniger geführte Tour dafür, dass die Besucher sich relativ fließend und gleichmäßig verteilt durch das Gefängnis bewegen und es nirgendwo zu größeren Staus kommt. So hat man an nahezu allen Stellen die Gelegenheit, ohne Wartezeiten die entsprechenden Lokalitäten in Augenschein zu nehmen.
Im Dining Room, Blick Richtung Küche (131kb). |
Durch die Gitterstäbe gelinst. Links steht der Messerkoffer (150kb). |
Handliche Suppentöpfe (191kb). |
Mit einem Aufzug geht es nun ein Stockwerk höher, direkt in den Dining Room (auch Mess Hall genannt). Auch dieser Raum ist wie die Duschen mit zahlreichen Stützpfeilern versehen. Aber er wirkt aufgrund seiner Breite und der damit verbundenen größeren Fensterfront wesentlich freundlicher. Der Eindruck mag aber auch daher rühren, dass wir in dem Duschraum nahezu alleine waren, während sich hier sehr viele Touristen versammelt hatten. Immerhin gibt es hier Sitzmöglichkeiten in Form der alten hölzernen Sitzbänke, und es ist wirklich der angenehmste Raum für eine kurze Rast. Eine Seite des Raumes ist komplett vergittert und trennt so die Küche ab. Bemerkenswert ist hier der ausgestellte Messerkasten. Dieser enthält zwar keine Messer, aber in Schwarz sind deren Umrisse aufgezeichnet. So hatte man immer die Kontrolle, ob eines der Metallwerkzeuge fehlt. Das Essen auf Alcatraz soll eines der Besten im ganzen Prison System der USA gewesen sein - auch wenn die Gefangenen selbst unter Aufsicht von erfahrenen, im Kochen ausgebildeten Aufsehern das Essen zubereiten mussten, weswegen es gelegentlich Rangeleien gab. Drei Mahlzeiten wurden wie in einer Mensa jeden Tag serviert. Ein typisches Mittagsgericht bestand aus Suppe, einem grünen Salat, Beilagen wie Brot, Kartoffeln, Pasta oder Reis, Fleisch und einem Dessert (Kuchen, Kekse oder Eis). Jeder konnte sich soviel nehmen, wie er wollte. Allerdings musste er in der vorgegebenen Zeit den Teller dann auch komplett leer essen. Auf der gegenüberliegenden Seite ist der Eingang zum eigentlichen Zellentrakt, den wir nun betreten.
Diesen riesigen Raum muss man sich vom Grundriss so vorstellen: Zwei Vierecke liegen versetzt übereinander und bilden in der Mitte eine quadratische Schnittfläche. Insgesamt vier Zellenblöcke befinden sich in dem Raum, getrennt durch drei Flurgänge. Man schaut vom Eingang aus direkt den Hauptflur entlang, der "Broadway Ave". Der Name rührt daher, dass dieser Gang direkt auf die über diesem Eingang angebrachten großen Wanduhr zuläuft. Das erklärt auch, warum der Quergang an dieser Stelle "Times Square" genannt wurde. Die beiden langen Blöcke in der Mitte sind Block B zur Linken des Eingangs und Block C zur Rechten. Noch weiter rechts liegt der kürzere und mit Mauern abgetrennte Block D, in dem sich die Isolierhaftzellen und dahinter die Library befinden. Auf der ganz linken Seite folgt im hinteren Bereich Block A, der als Gefängnis nach der militärischen Periode jedoch kaum genutzt wurde weil er beim Umbau zur Justizvollzugsanstalt nicht renoviert wurde und den moderneren Sicherheitsvorkehrungen nicht mehr entsprach. Man erkennt dies am deutlichsten an den flachen Zellengitterstreben. Die Zellen dienten vielmehr als Lagerraum, und auch der Friseur verrichtete hier in der Ecke des Ganges seine Tätigkeit. Eine Zelle wurde als Vernehmungsraum genutzt. Der Gang zwischen Block A und Block B trägt den Namen "Michigan Ave" während der dritte Gang "Seedy" als Ableitung von "C-D Street" oder auch "Park Ave" genannt wurde. Der Außengang bei Block A heißt "Sunrise Alley", sein Pendant bei Block D "Sunset Strip".
Die Zellenblöcke sind dreigeschossig, wobei die oberen Etagen komplett mit Außenfluren versehen sind, deren Metallgeländer in Verbindung mit den allgegenwärtigen Zellentüren einen schon recht beklemmenden ersten Eindruck hinterlassen. Über dem Eingang und auf der gegenüberliegenden Seite des Cellblocks gibt es eine Balustrade, die "gun gallery", wo die Wärter patrouillierten und die Gänge stets im Auge behielten. Der Name rührt daher, dass hier die Wachen im Gegensatz zum übrigen Zellentrakt bewaffnet waren. Die Wärter, die in den Gängen ihren Dienst taten, waren sicherheitshalber nicht bewaffnet.
Der Broadway (159kb). |
Ein Cut-Off (183kb). |
Über den Gängen strahlt von oben durch große Fenster im Flachdach Licht hinein, sodass es nicht so finster ist, wie man es sich vielleicht vorgestellt hatte. Es darf ja eigentlich auch nirgendwo dunkel sein, denn wie sollten sonst die Wärter alles im Auge behalten. Ironischerweise hatte man innerhalb der Zellenblöcke zwischen den Rückwänden der außen angebrachten Zellen einen Versorgungsgang (utility corridor) konstruiert, der völlig im Dunkeln lag und nur durch vergitterte Türen am Ende des jeweiligen Blockes durchschaut werden konnte, was bei einigen Ausbruchsversuchen dankbar angenommen wurde. Doch zurück zum Broadway. In der Mitte der beiden langen Blöcke sind diese nachträglich mit einem Durchbruch versehen worden, dem "Cut-Off". Der Cut-Off im C-Block weist an seinen Wänden und an der Decke Spuren der dreitägigen Belagerung von Alcatraz im Jahre 1946 auf. Die Insassen Coy, Cretzer und Hubbard wurden am Ende der dreitätigen Schlacht um Alcatraz im utility corridor des C-Block getötet weil sie bevorzugten, sich ihren Weg freizuschießen, anstatt aufzugeben. Das Loch in der Decke wurde von Marines hineingebrochen, um vom Dach Sprengstoff in das Gefängnis zu werfen. Die Spuren der Splitter sind noch im Boden zu sehen, und auch Kugeleinschüsse kann man in einer Stahltüre sehen. Bei dieser "Schlacht um Alcatraz" wurden zwei Wachen getötet und 13 verletzt. Zwei Gefangene, Thompson und Shockley, wurden in San Quentin wegen ihrer Mittäterschaft am Tod der beiden Wachen hingerichtet, Carnes erhielt lebenslänglich.
Nochmal der Broadway Richtung Times Square (221kb). |
Die Unterbringung in den Zellen verlief nach Volksgruppen getrennt. Afroamerikaner wurden in der oberen Etage des B- und C-Blocks untergebracht, Asiaten und Latinos wurden zusammen mit den Weißen im restlichen Bereich angesiedelt. Nach dem Umbau zur Justizvollzugsanstalt 1934 konnte Alcatraz 336 Gefangene unterbringen - so viele Zellen gab es in Block B und C. Es waren jedoch selten mehr als 260 gleichzeitig inhaftiert (zwischen 222 und 302) - ausschließlich Männer. Im Laufe der 29 Jahre waren 1.545 Männer untergebracht. Bis auf 71 wurden alle von anderen Gefängnissen nach Alcatraz verlegt, nachdem sie dort Probleme verschiedenster Art bereitet hatten. Nur zwei Gefangene wurden aus Alcatraz direkt entlassen, alle übrigen an ihre Herkunftsgefängnisse zurückgesandt. Zwischen 1934 und 1963 versuchten insgesamt 36 Männer in 14 unabhängigen Fluchtversuchen von Alcatraz zu flüchten. Zwei Insassen versuchten, zweimal zu entfliehen. Nur fünf von ihnen wurden nie mehr gesehen. Lediglich ein einziger Gefangener, John Paul Scott, überlebte nachweislich das mörderische Schwimmen durch die Bucht. Völlig erschöpft und unterkühlt wurde er an den Felsen unterhalb der Golden Gate Bridge aufgegriffen, unfähig sich fortzubewegen und dem Tode nahe. Fünf Ausbruchsversuche fanden vom Industriegebäude aus statt, vier vom Zellenblock, zwei von garbage details, zwei vom Dock und einer von der Müllverbrennungsanlage.
Typische Zelle (86kb). |
Beim Gang durch den Broadway wirft man immer wieder einen Blick in die Zellen. Diese bieten den Insassen keinerlei Privatsphäre. Der Gefangene der gegenüberliegenden Zelle kann alles genau mitverfolgen - und umgekehrt. Die Räume sind eng und kalt. 1,52 Meter breit, 2,74 Meter tief und 2,13 Meter hoch, mit zementierten Wänden, einem Bettgestell aus Stahl mit einer dünnen Matratze, ein Waschbecken mit einem Wasserhahn für kaltes Wasser, eine Toilettenschüssel ohne separate Sitzbrille und Deckel und ein kleiner von der Wand herunterklappbarer Tisch mit Stuhl. Zwischen 16 und 23 Stunden verbrachte jeder Gefangene am Tag in diesem Käfig, abhängig von seinen ihm zugestandenen Privilegien. Kein schöner Ort, um Jahre des Lebens dort zu verbringen; im Durchschnitt waren es acht. Nunja, eine Belohnung sollte der Aufenthalt ja auch nicht sein. Dennoch, im Vergleich zu anderen Bundesgefängnissen mag man auch Vorteile an Alcatraz ausmachen. Jeder Gefangene hatte seine eigene Zelle, hatte eigenes Licht, fließendes Wasser und der ganze Trakt wurde konstant auf 21 Grad geheizt.
In dem Wandkasten verbirgt sich die Zellentürsteuerung (196kb). |
Am Ende des Ganges angekommen erkennt man an jeder Seite auf Höhe der Zellentüren große Wandkästen. Sie beinhalten eine Mechanik, mit der man die Zellentüren öffnen und schließen kann. Über ein ausgeklügeltes Hebelsystem können alle, einzelne oder bestimmte Zellentürgruppen entriegelt werden. Leider waren alle Kästen geschlossen. Werfen wir nun einen Blick in die Michigan Avenue linker Hand, zwischen Block B und A. Hier sind die Zellen B-138, B-150 und B-152 im Erdgeschoss interessant. Dort saßen die Insassen Frank Morris, John Anglin und Clarence Anglin ein (im Film "Escape from Alcatraz" sind die Zellen im C-Block angesiedelt). Am 11. Juni 1962 flüchteten Morris und die Anglin Brüder durch von ihnen vergrößerte Lüftungsschlitze an der Rückseite der Zellen aus diesen. Sie hatten mit selbst gebastelten Werkzeugen sechs Monate lang den Zement weggebrochen. Mit Kopfattrappen, die sie aus Betonstaub, Seife und aufgesammelten Haaren aus dem Friseurshop hergestellt und in ihren Betten platziert hatten, täuschten sie die Wachen beim nächtlichen Durchzählen der Gefangenen. Ihre Abwesenheit wurde bis zum Morgen nicht bemerkt. Am südlichen Ende des B-Blocks kann man den utility corridor sehen, den die drei benutzten, um aufs Dach des Zellenblocks zu klettern. Hier lösten sie die Verankerungen einer Lüftungsschachtverkleidung, entfernten diese und kletterten auf das Außendach. Nun rannten sie zur nördlichen Seite des Daches und kletterten an einem stabilen, gusseisernen Rohr hinunter, welches daraufhin von der Gefängnisleitung entfernt wurde. Sie überwanden einen 4,57 Meter hohen Zaun und rannten zum Ufer. Seither wurde von ihnen nichts mehr gesehen. Einer Theorie zufolge haben sie beim Kraftwerk wasserdichte Schwimmwesten zu einem Boot zusammengeklebt und sind darin davongepaddelt. Eine Nachstellung dieser Theorie in der Fernsehserie "Myth Busters" zeigte, dass man auf diese Weise recht mühelos und von der Strömung getragen Angel Island erreichen kann.
Die Zelle von Al Capone, B-181, befindet sich auf der ersten Etage des Blocks B und kann daher nicht näher betrachtet werden. Sie unterscheidet sich aber im Gegensatz zu seinen Aufenthalten in früheren Gefängnissen nicht von den anderen Zellen.
Sunrise Alley mit Treppenkasten zum Dungeon (201kb). |
Durch die verschlossene Gitterwand am Block A schauen wir in die Sunrise Alley hinein. Etwa in der Mitte, also in dem Gang zwischen Block A und der Außenwand, befindet sich auf dem Boden ein großer Betonquader. Es ist die - während meines Besuchs abgedeckte - Einfassung der Treppe, die in die Überreste der Zitadelle aus der Bürgerkriegszeit hinabführt. Bis 1938 wurden die Gefängnisinsassen in Isolationshaft hier herab in alte aus Backstein gemauerte Vorratsräume unterhalb des Cellhouse gesperrt. Die völlige Dunkelheit und Stille brachte diesem Ort den Namen "dungeon" oder auch "spanish dungeon".
An der gegenüber des Eingangs gelegenen Stirnseite des Zellentraktes erblickt man mehrere kleine Fenster. Dies ist die Stelle, wo die Gefangenen ihre Besucher kontaktieren konnten. Allen Insassen war ein Besuch pro Monat gestattet, wobei jeder davon vom Gefängnisleiter bewilligt werden musste. Ein körperlicher Kontakt war nicht erlaubt, und die Gespräche durften nicht von aktuellen Themen oder dem Gefängnisleben handeln. Kommuniziert wurde über ein Telefon, das von den Wärtern mitgehört wurde. Dabei saßen die Gefangenen im Zellentrakt vor einer Glasscheibe, hinter der im Besucherraum die Angehörigen Platz genommen hatten. "Peek'n Place" ist diese Lokation benannt.
Wärteruniform (106kb). |
Control Room (135kb). |
Die Wärter tranken Coca Cola (94kb). |
Alle Gefängnisleiter (84kb). |
Gleich neben den Besucherluken führt das Main Gate hinaus auf den Platz vor dem Leuchtturm, dem Eagle Plaza. Doch zunächst durchschreitet man den Verwaltungsbereich des Gefängnisses mit dem 1961 neu errichteten Control Room auf der rechten Gangseite. Hier drängen sich die Besucher deutlich mehr als im übrigen Cellhouse, denn der Gang ist eng, bietet durch Fensterscheiben den Blick in den hübsch hergerichteten Control Room, und es zweigen außerdem Türen zu weiteren Räumen mit kleinen Ausstellungen ab, die aber Sackgassen sind. So braucht man hier mitunter etwas Geduld oder eine ausgeklügelte Schiebetechnik, denn die kopfhörerbewährten Touristen sind gegen freundliche "Excuse me"-Aufforderungen aus diesem Grunde akustisch immun.
Auf der linken Gangseite befindet sich die Waffenkammer. In dem ihr vorgelagerten Raum kann man allerlei Ausstellungsstücke bewundern, unter anderem eine Schaufensterpuppe, die die Wärteruniform der damaligen Zeit trägt. Natürlich hat sie einen strengen Gesichtsausdruck, um der Ernsthaftigkeit der ganzen Angelegenheit Nachdruck zu verschaffen. An der Wand hängen Bilder der vier Gefängnisleiter, deren Büro sich diesem Raum anschließt. Der erste im Bunde war James A. Johnston (1933-1948), genannt "Old Saltwater" weil er widerspenstige Gefangene mit kaltem Wasser abspritzen ließ. Er war zuvor Leiter in Folsom und San Quentin sowie ein Bankpräsident. Seine neue Aufgabe bestand in der Errichtung eines der schärfsten Gefängnisse der Welt. So erließ er ein Redeverbot für die Gefangenen, weswegen diese eine Zeichensprache entwickelten. Einige Gefangene schöpften ihre Toiletten leer, um sich über die Rohre flüsternd zu unterhalten. Nach vier Jahren zwang man Johnston jedoch, das als unmenschlich erachtete Sprechverbot aufzuheben. Ihm folgte Edwin B. Swope (1948-1955), genannt "Cowboy" weil er oft einen Westernhut und Cowboystiefel trug. Er war zuvor Leiter des New Mexico State Prison. Die Wärter und Angestellten mochten ihn nicht, weil er das Autoritätsverhältnis zwischen Wärtern und Gefangenen untergrub. Er ließ in den Zellen Wandradios mit Kopfhörern installieren und hob die Trennung von farbigen und weißen Gefangenen auf. Ebenso erweiterte er die Arbeitsmöglichkeiten der Gefangenen. Deren Uniformen ließ er von den unbeliebten Overalls in blaue Denim Shirts und Hosen ändern. Einige Wände auf Alcatraz ließ er pink anstreichen, weil er glaubte, dies habe eine beruhigende Wirkung. Von 1955 bis 1961 war Paul Madigan Leiter auf Alcatraz. Die Häftlinge nannten ihn "Promising Paul", weil er den Ideen und Vorschlägen der Gefangenen immer zustimmte, aber selten danach handelte. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hatte, war dies seine erste Gefängnisleiterposition. Als Lieutenant, Captain und stellvertretender Leiter hatte er zuvor auf Alcatraz gearbeitet und war beim Cretzer-Shockley Fluchtversuch einer der überwältigten und gefesselten Wärter. Er ergänzte die Weihnachtspräsente an die Gefangenen (Süßigkeiten und Nüsse) durch Zigaretten. Als Katholik besuchte er jeden Sonntag mit den Gefangenen die heilige Messe. Der letzte Gefängnisleiter war Olin G. Blackwell (1961-1963), der die Spitznamen "Lagartija" (spanisch für Mauereidechse) und "Gypsy" erhielt. Freunde nannten ihn "Blackie". Als jüngster Anstaltsleiter im Prison System kleidete sich der Texaner im typischen Wildwestlook, mit Türkis-Ringen und Halstuch. Er lockerte viele Einschränkungen, gewährte mehr Zeit auf dem Exercise Yard und kürzere Aufenthalte im Hole. Auch erweiterte er das Angebot an Dingen, die die Gefangenen mit ihrem in den Werkstätten verdienten Geld kaufen konnten. So begannen viele Gefangene, zu stricken und häkeln. Blackwell dekorierte sein Haus und das Büro mit bunten Zierdeckchen und sandte Pullover und Tagesdecken als Geschenke ans Festland. Er befand sich im Urlaub als 1962 die Flucht von Morris und den Anglin-Brüdern stattfand, was seinen Ruf schädigte. Als Alcatraz 1963 schloss, sah er dem letzten Gefangenen zu, der die Insel verließ.
Der Leuchtturm (127kb). |
Gehen wir zurück zum Haupteingang und werfen einen Blick nach draußen. Der Leuchtturm, weswegen die US-Regierung die Insel 1971 wieder konfiszierte und damit die indianische Besetzung beendete, ragt dominierend gegenüber des Cellhouseeingangs empor. Seine Geschichte will ich kurz erzählen, denn sie ist interessant. 1846 erhielt Julian Workmann die Insel Alcatraz von der mexikanischen Regierung. Damals gehörte Kalifornien noch zu Mexiko. Die Regierung war jedoch finanziell kaum in der Lage, in Kalifornien eine Infrastruktur aufzubauen. So war es eine gängige Vorgehensweise, sich bei Privatleuten Geld zu leihen und diese dann mit Land zu bezahlen. Bei Julian Workmann gab es einen Vertrag, dass er im Gegenzug zum Erhalt der Insel dort ein Licht installieren sollte, dass den Schiffen Sicherheit in dunklen Nächten gewährleisten sollte. Doch Mr. Workmann übertrug seinen neuen Besitz direkt an seinen zukünftigen Schwiegersohn Francis Temple, ohne dem Bau eines Leuchtturms weiter Beachtung zu schenken. Etwa zur gleichen Zeit nahm eine Gruppe Revolutionäre den mexikanischen General Mario Vallejo gefangen und erklärten Kalifornien zu einer unabhängigen Republik. Dieser Aufstand, bekannt als "Bear Flag Revolt", dauerte 26 Tage. Einer der Anführer, John Charles Fremont, erklärte sich selbst zum Gouverneur von Kalifornien und kaufte Alcatraz von Francis Temple für 5.000 Dollar. Es kam dann zum Krieg mit Mexiko, bei dem die Vereinigten Staaten Kalifornien ohne große Mühen einnehmen konnten. Die US-Regierung beschlagnahmte Alcatraz als Standort für ein Militärfort, obwohl es ein Privatgrundstück war. Man argumentierte, dass Julian Workmann den Vertrag, nach dem er einen Leuchtturm errichten sollte, nicht erfüllt hatte und somit der seinerzeitige Verkauf nicht zustande gekommen sei. Es sollte, wie wir bekanntermaßen wissen, nicht das einzige Mal sein, dass die Regierung den Leuchtturm als Argument benutzten, um die Insel wieder in Besitz zu nehmen. Am 1. Juni 1854 wurde die Flamme im Alcatraz Leuchtturm angezündet. Es war der erste Leuchtturm der Westküste. Auf der östlichen Hügelspitze direkt unterhalb der Zitadelle errichtet ragte der Turm mittig aus einem Haus im Cape Cod-Stil heraus. Die Linse war zwei Jahre lang von Frankreich über New York und um Kap Horn nach San Francisco unterwegs gewesen. Das Leuchtfeuer konnte 30,5 Kilometer weit gesehen werden. Das Gebäude stand bis 1912. Als anstelle der alten Zitadelle das große Cellhouse errichtet wurde blockierte dies das Leuchtfeuer, weswegen 1909 ein 25,6 Meter hoher Turm mit Wohnhaus errichtet wurde. Letzteres gingen bei einem Brand verloren; der Turm ist alles, was heute noch übrig ist. Links neben dem Leuchtturm steht die Ruine des abgebrannten Warden's House, das ich in East Road-Bericht schon näher beschrieben habe. Viel Zeit blieb nicht, denn die letzte Fähre würde nicht auf uns warten. Also ging ich wieder in den Zellentrakt und setzte meine Besichtigung fort.
Wir gehen nun zur der Seite des Gebäudes, die wir noch nicht besucht haben, nämlich zur Park Ave und betreten dort die Library. Dies ist ein hoher Raum, dessen Seite zum Zellentrakt C bis zur Decke vergittert ist. Die Gefangenen konnten sich in der Bücherei so viele Bücher ausleihen, wie sie wollten - solange ihnen dieses Privileg nicht entzogen wurde. Tageszeitungen gab es jedoch keine. Heute ist der Raum bis auf einige Holzregale an den Außenwänden leer.
Sunset Boulevard (207kb). |
Unten die 5 Holes und die Strip Cell, ganz oben rechts saß der Birdman (276kb). |
In der hinteren Ecke befindet sich eine Türe zum abgetrennten Zellenblock D und dem Sunset Strip. Hier befinden sich fünf dunkle Isolationszellen, auch "the Hole" genannt, eine "Strip Cell" und 66 normale Isolationszellen. Ein Aufenthalt in der strip cell, auch "Oriental" genannt, war die härteste Form der Bestrafung. Sie war völlig dunkel, es gab kein Waschbecken und als Toilette nur ein Loch im Boden. Das Abziehen musste der Wärter auslösen. Der Gefangene trug keine Kleidung und erhielt nur spärliche Diätrationen. Eine Matratze wurde nur nachts in die Zelle gelegt. Die Aufenthaltsdauer betrug in der Regel ein bis zwei Tage.
Blick in eine der Dunkelzellen (172kb). |
Etwas annehmlicher war da schon "The hole". Hier gab es ein Waschbecken, eine Toilette und eine wenn auch lichtschwache Lampe. Doch auch hier wurden die Matratzen tagsüber entfernt. Dafür konnten die Gefangenen bis zu 19 Tagen hier gehalten werden. Die übrigen Isolierzellen entsprachen von der Ausstattung den normalen Zellen und waren sogar ein wenig größer. Allerdings verbrachten die Gefangenen den ganzen Tag in der Zelle und durften nur einmal pro Woche in den Außenhof und zweimal duschen. Auch das Essen wurde in den Zellen serviert. Die erste Zelle auf der obersten Etage direkt am Eingang zur Library (Nummer 42) war diejenige, in der "Birdman" Robert Franklin Stroud einsaß. Diese obere Etage bot für die Häftlinge einen zweifelhaften Genuss: von hier aus kann man die Skyline von San Francisco sehen; die Freiheit vor Augen und doch unerreichbar. Je nach Windrichtung kann man sogar die Geräuschkulisse der Großstadt wahrnehmen.
Natürlich wirft man einen Blick in eines der offenstehenden Holes, und ganz mutige machen auch mal die Türe zu. In der Audio Tour wird beschrieben, wie sich ein Häftling die Zeit im Hole vertrieb. Er hatte sich einen Knopf seines Sträflingsoveralls abgerissen und warf ihn in der Zelle in die Luft. Dann war er damit beschäftigt, ihn wiederzufinden. Nur dank dieser Aufgabe verkraftete er die völlige Abtrennung von der Außenwelt.
Nur in Alcatraz beginnt am Times Square der Broadway (254kb). |
Park Ave mit Türe zum Exercise Yard (198kb). |
Wir verlassen Block D und kehren zurück zum Times Square, so heißt wie gesagt der Quergang vor dem Eingang zum Dining Room. Hier kann der aufmerksame Betrachter eine Kuriosität feststellen: Unterhalb der Uhr hängt ein Türschlüssel an einem langen Seil vor der gun gallery. Er diente den Wächtern dazu, ihn sofort zur Hand zu haben, wenn es Ärger gab und schnelles Handeln erforderlich war. Er hängt natürlich so hoch, dass man ihn ohne das Zutun der Wache auf der gun gallery nicht erreichen konnte. So konnte jeder Häftling im Broadway den Schlüssel zu seiner Freiheit sehen; wie gemein. Hinter dem Schlüssel gibt es eine runde Wandöffnung: ein Bewegungsmelder für den Fall, dass sich doch jemand wie auch immer an dem Schlüssel zu schaffen machen sollte.
Auf dem Exercise Yard (293kb). |
Blick auf die Freiheit: Golden Gate Bridge und Sausalito sind von der Freitreppe aus sichtbar (234kb). |
Direkt am Ende der Park Ave führt eine Türe hinaus auf den Exercise Yard. Das ist ein großer, mit einer hohen Mauer eingefasster Betonplatz, auf den eine Treppe hinabführt. Der enorm starke Wind und die eisige Luft ließen mir keine Möglichkeit, einen Schritt nach draußen zu tun. Bereits beim Fotografieren durch die offene Türe liefen mir die Tränen derart, dass ich nicht sehen konnte, was ich da aufnahm. Das machte mir noch einmal nachdrücklich deutlich, wie ungemütlich dieser Ort erst zu Gefängniszeiten gewesen sein muss, wo man nicht zahlende Touristen bei Laune halten musste, sondern die Insassen bestrafen wollte. Oder erst im Winter...
Wir steuerten wieder den Aufzug an, gaben im Erdgeschoss unsere Audioplayer ab und warfen noch einen kurzen Blick in den Museum Store, der aber bereits geschlossen hatte. So konnten wir zwar sehen, was es alles an Literatur über Alcatraz auf dem Markt gibt, erwerben konnten wir jedoch nichts. Zu gerne hätte ich die Audiotour auf CD mitgebracht. Doch jetzt musste es schnell gehen, den gleichen Weg hinunter, den wir auch gekommen waren. Die Fähre "Respect" hatte schon angelegt, und so nahm ein wirklich imposanter und im Nachgang sehr bewegender Tagesausflug sein Ende.
(c) Stefan Kremer - Alle Rechte vorbehalten
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