Einer von 6 Eingängen (318kb). |
Der Eingangsbereich (393kb). |
Die Great Mall war im Kern ursprünglich eine Produktionsstätte des Autoherstellers Ford, der hier den Ford Mustang herstellte. Ford hatte 1952 seine zu klein gewordene Produktionsstätte von Richmond nach Milpitas verlegt, einem unentwickelten Landstreifen nordwestlich von San Jose. Doch nach knapp 25 Jahren schloss Ford das Werk aus dem gleichen Grund wieder. Nach einigen Jahren Leerstand wurde die Fabrik schließlich für 130 Millionen Dollar in die heutige Great Mall umgebaut. Entsprechend ist das architektonische Design dieses Riesenkaufhauses relativ nüchtern und kantig. Im Inneren wirkt der Bau hingegen futuristisch und erinnert durchaus an seine historische Vorgängerfunktion, z. B. durch die an der Decke hängenden Stahlgerüste, an denen die Beleuchtung montiert ist. Ähnlich verschiedener Produktionsbereiche einer Fabrik sind die verschiedenen Abschnitte der Mall durch dominierende Farbtöne voneinander abgehoben. Auf diese Weise fällt die Orientierung in dem riesigen Komplex relativ leicht. Betrachtet man den Grundriss der Mall so sind die Geschäfte in dem eingeschossigen Bauwerk um einen einzigen breiten Rundgang herum angelegt, der wie bei einer Acht in der Mitte durch einen Verbindungsgang unterbrochen ist. Dieser wurde nachträglich eingebaut um die Laufwege der Kunden zu verkürzen. Die Geschäfte beherbergen hauptsächlich Bekleidungs- und Sportartikelanbieter; rund 90% der Ladenlokale sind belegt (2005). Unter den Geschäften finden sich so namhafte Hersteller wie Abercrombie, Calvin Klein, Levi's, Reebok, Saks Fifth Avenue oder Samsonite, um nur eine Auswahl der mir bekanntesten Marken zu nennen. Zusätzlich gibt es aber auch nicht-outlet-Geschäfte wie Marshalls, die Burlington Coat Factory oder Kohl's. Ergänzt wird das riesige Angebot durch zahlreiche (39 in 2006) Restaurants und einen Entertainmentbereich mit Kino. ATM-Maschinen (Geldautomaten) dürfen natürlich ebenfalls nicht fehlen - was gäbe es schlimmeres als Kunden ohne Geld -, sowie Einkaufswagen, zwei Customer Service Center sowie Bus- und Taxiservice. Eröffnet wurde die Great Mall, die der Mills Corporation gehört, im September 1994. Im Herbst 2002 fand eine Renovierung statt.
Eine Sitzbank mit Pflanzen - schon sieht der Gang schöner aus (422kb). |
Wir hatten den Tag in San Francisco mit dem Besuch der Market Street und China Town begonnen. Es war schon früher Nachmittag als wir in einer McDonalds Filiale saßen und die überall ausgelegten Werbeprospekte flüchtig überschauten während wir die Salads, Pommes und Burger in uns hinein... äh genossen. Da fiel uns eine Anzeige der größten Mall Nordkaliforniens ins Auge, und prompt war gerade bei unserem weiblichen Reisemitglied das Interesse geweckt. Shoppen gehen - zudem in einer Mall -, das war natürlich eine Perspektive für den angebrochenen Tag, zumal man das ja auch in den sonnenfreien Abend hinein ausdehnen konnte und obendrein der als fester Anlaufpunkt in der Market Street anvisierte Jeansladen nicht mehr existierte. Der Entschluss war also schnell gefasst, und so ging es nach dem kleinen Happen noch schnell die Lombard Street hinunter und dann nach kurzer Pinkelpause in unserem Motel in South San Francisco weiter auf dem Highway 101 nach Süden Richtung Milpitas.
Keine Stunde brauchten wir für die Anreise von unserem Motel aus ehe wir auf dem riesigen Parkplatz mit 6.300 Stellplätzen angelangt waren. Über sechs Eingänge kann man von dort die Mall betreten. Wir hatten bei Eingang Nummer 3 geparkt und betraten am späten Nachmittag das Einkaufswunderland. Zunächst war ich etwas überrascht vom Ambiente der Mall; der blitzblanke Laminatfußboden in bunt schillernden Farben, dazu die ebenso farbenprächtige optische Gestaltung des gesamten Innenbereichs, waren einerseits ziemlich amerikanisch-kitschig, andererseits aber auch futuristisch interessant - eben völlig anders als ich mir eine Mall vorgestellt hatte. Man kennt ja Einkaufspassagen aus deutschen Großstädten, aber die sind meist geprägt von lichtdurchfluteten Bereichen mit Pflanzen, Sitzgelegenheiten und bis ins Detail liebevoll arrangierten Schaufenstern. In der Great Mall hingegen herrscht Plastik- und Metalldesign; Pflanzen sind nur selten vorhandenes Schmuckwerk, natürliche Baustoffe wie Holz findet man so gut wie gar nicht. Hinzu kommt die glänzende Sauberkeit, die die Umgebung noch kühler und irrealer werden lässt. Das markanteste Element eines Kaufhauses fehlte natürlich aufgrund der eingeschossigen Bauweise: die Rolltreppe.
Der Belegungsplan von 2003 (611kb). |
Es war eben eine neue Erfahrung, und interessiert steuerte ich eine Informationstafel an, die direkt gegenüber des Eingangs eine Übersichtskarte des riesigen Gebäudes anbot ("directory"). Aufgrund der klaren Strukturierung der Mall wollten wir einmal den ovalen Hauptgang entlang gehen und einfach schauen, ob wir vielleicht das eine oder andere interessante Angebot finden würden; eine spezielle Kaufabsicht hatten wir jedenfalls nicht, wenn man vom dem Jeansinteresse absieht.
Da unsere Reisegruppe aus einem Ehepaar und zwei Junggesellen bestand trennten sich alsbald unsere Wege. Während das Ehepaar die einzelnen Shops auch von innen anschaute und vom Schwerpunkt her die Bekleidungsläden aufsuchte wollten wir nicht unbedingt etwas kaufen und blieben folglich mehr auf den breiten Gängen, um von außen die Läden zu begutachten. Zwar hatte ich im Hinterkopf, vielleicht ein nettes Andenken für die Freunde zu Hause auftreiben zu können, jedoch erfüllte sich diese Absicht nicht. Auch der Erwerb eines in Europa nur in grauenhaft übersetzter Form erhältlichen Computerspiels gelang nicht, denn aus dem Computerbereich gab es schlichtweg keine Geschäfte. Später sollte ich diesbezüglich in San Francisco im Virgin Shop an der Market Street mehr Glück haben. Ganz ohne Einkauf sollte aber auch ich die Mall nicht verlassen. Ein Ministativ für meine Fotokamera hatte ich entdeckt, seltsamerweise in einem Bekleidungsgeschäft von Eddie Bauer und für rund acht Dollar. Da hatten die anderen besser zugelangt: ein paar Kleidungsstücke namhafter Hersteller, darunter natürlich auch eine Jeans, waren in die Einkaufstüten gelangt, und so waren am Ende doch alle zufrieden, dass wir diesen kleinen Abstecher nach Milpitas gemacht hatten.
Der Food-Court. |
So sieht es aus, wenn man an einem Tisch sitzt (632kb). |
Nun plagte uns vor lauter Schnäppchenjagd und Herumwanderei (schau mal hier, schau mal da) doch etwas der Hunger. Als hätten es die Konstrukteure der Mall erahnt - was natürlich stimmt - gelangten wir nach exakt einem Rundgang an einen riesigen runden Raum mit Self-Service Restaurants ringsum und 700 Sitzplätzen in der Mitte, genannt Food Court, direkt neben unserem Eingang Nummer 3. Ein Fresstempel im Einkaufsparadies - da wollte ich investieren. Das Angebot umfasste unter anderem The Great Steak&Potatoe, Swagat Indian Cuisine, McDonalds, La Salsa Fresh Mexican Grill, Magic Thai, Arby's, Mr. Wu's Chinese Gourmet, Subway Sandwiches&Salads, Sarabol Korean BBQ&Noodles, Cajun Grill, Hot Dog on a Stick, Little Tokyo, Sbarro the Italian Eatery, Surf City Squeeze sowie TCBY Treats und das Volcano Tea House. Was sollte man da nehmen? Etwas Neues probieren, oder doch lieber auf die bekannten Dinge zurückgreifen? Die vielen asiatischen Speisen hatten Namen, mit denen ich nichts assoziieren konnte und sahen zudem in ihrer meist frittierten Panade auch gut getarnt aus. Die "spicy" Speisen aus Mexiko und Indien waren mir da schon sympathischer - aber wie scharf war spicy? Und was genau verbarg sich hinter deren klangvollen Namen? Was soll ich sagen; ich entschied mich schließlich, nachdem ich einmal an allen Angeboten vorbeigegangen war und meine Nase schon ganz betäubt war von den vielen Gerüchen, doch für zwei Burger samt Pommes und Cola light - eben das typische amerikanische Essen. Die Vernunft (oder war es die Einfalt?) hatte gesiegt, bloß keine Magenverstimmung riskieren am Anfang des Urlaubs. Mit Tablett und Speisen bewaffnet suchten wir uns nun einen Sitzplatz in der Mitte des gigantischen Raumes. Etwas unbequeme Metallstühle mit Plastiksitz und ein ebensolcher Tisch auf gefliestem Boden versprühten doch eher den Charme einer Kaserne als den eines gemütlichen Speiselokals im Shoppingcenter. Ein paar Pflanzen hätten dem Bereich wirklich gut getan, aber nicht mal der Ansatz eines einzigen Gewächses war weit und breit zu sehen. Steril, kalt und riesengroß - diesen Eindruck machte der Raum auf mich, dem zudem ein paar Trennwände gut getan hätten. Da konzentriert man sich auf sein Essen und schaut, dass man nicht allzu lange verweilt; das war vermutlich ebenfalls so von den Planern beabsichtigt. Schließlich soll man nicht lange Pausen machen sondern kaufen, kaufen, kaufen. Doch ich nahm mir die Zeit, die Mitmenschen verschiedenster Nationalität ringsum zu beobachten, wie sie sich an den Theken die Angebote durchsahen oder an den Nebentischen mit dem Fastfood kämpften. Schließlich waren auch wir fertig und setzten unseren Einkaufsbummel fort.
Dieser Kunde hat den Werbeslogan wörtlich genommen (335kb). |
Doch weit sollten wir nicht kommen ohne eine weitere Pause einzulegen. Beim Eingang 1 gab es nämlich eine Starbucks-Filiale, gerade am rechten Platz um den aufkommenden Durst zu löschen. Und ich bin doch so ein großer Fan von Cafe Latte Macchiato. Der an dieser Stelle verbreiterte Flur hatte in seiner Mitte einen farbenfrohen Springbrunnen mit kleinen Wasserfontänen und einem abwechselnden Lichtspiel, der natürlich sämtliche Kleinkinder magisch anzog. Praktischerweise lag genau hinter dem Brunnen "The childrens place" - sehr clever... Das war jedenfalls der ideale Platz, um das koffeinhaltige und brühendheiße Getränk zu konsumieren. Kaum hatte ich mich auf eine Bank gesetzt fiel mein Blick auf einen T-Mobile Stand genau auf der gegenüberliegenden Seite. Die Heimat lässt grüßen, dachte ich als ich genüsslich an meinem Kaffee nuckelte. Doch dann tauchte plötzlich ein interessierter mexikanischer Kunde am Stand auf und der Fotograf in mir bekam jenen Adrenalinstoß, den wohl normalerweise nur ein Paparazzi verspürt, wenn er eine Berühmtheit in etwas freizügiger Pose erwischt. Ihr habt ja sicher schon auf das Foto geschaut, von daher wisst Ihr wovon ich spreche. Wer es immer noch nicht genau gesehen hat: bei dem guten Mann hängen ein paar dutzend Kilo Bauch unten aus dem T-Shirt heraus. Und gleich daneben prangt verheißungsvoll der Werbeslogan "Get more"... Möglichst unauffällig schaltete ich die Kamera an, legte sie auf meinen Schoss, drehte den Monitor hoch, so dass ich wenigstens in etwa sehen konnte, ob das Motiv auch im Bild ist, und machte "das" Foto. Was ich natürlich vermeiden wollte war, dass der Geknipste von der Aktion etwas bemerkte, denn so ganz ungefährlich sah der Zeitgenosse mit seinem lustigen Hütchen und den Tattoos doch nicht aus. Wie auch immer, er war so vertieft in sein Beratungsgespräch, dass er von all dem nichts mitbekam, und ich freute mich wie Bolle über einen tollen Schnappschuss, der endlich mal einen "typischen" Amerikaner zeigt. Denn im Gegensatz zum allgemein bekannten Vorurteil, die Amerikaner seien ziemlich beleibt, habe ich in meinen Urlauben bisher nicht allzu viele Menschen getroffen, auf die diese Beschreibung zutrifft. Wobei, da fallen mir spontan die beiden Damen in den Muir Woods ein, die - natürlich in knallenge Leggins gezwängt - mit ihren dicken Hintern eine ganze Weile vor uns hergestampft sind und die beeindruckend hohen Bäume durch beeindruckend breite Pöter ergänzten. Wieso kleiden sich die Menschen nur so "dezent" wenn es was zu verstecken gibt... Naja, Amerika eben - man zeigt was man hat.
Der Springbrunnen ist dekorativ, aber im Stil am kantigen Fabrikdesign orientiert (409kb). |
Ein typischer Gang in der Mall (419kb). |
Der Latte Macchiato war schnell getrunken, also konnte es weitergehen. Inmitten der Gänge gab es immer wieder kleine kioskartige Verkaufsstellen, die vornehmlich Schmuck oder Handys anboten und mit ihrem Ramsch-Charakter irgendwie nicht ganz in das auf Markenartikel ausgelegte Umfeld passten. Sie erinnerten mich an die Handyverkäufer im Oakland International Airport im Jahr 2000, die direkt hinter der Gepäckausgabe den anreisenden Besuchern ein "günstiges" Handy verkaufen wollten und wohl davon profitierten, dass vielen Touristen nicht klar war, dass in Amerika ein anderes GSM-Frequenzband benutzt wird als in Europa (was heute dank üblichen Triband-Handies kein Problem mehr ist). Nur wenige Geschäfte weiter gelangten wir in den Entertainmentbereich, und hier zu Vans Skate Park. Wie der Name vermuten lässt ist dieser Bereich für Jugendliche konzipiert, die hier in mehreren Halfpipes ihr Können unter Beweis stellen. Natürlich kann ich mir den bissigen Kommentar nicht verkneifen, dass man es in Amerika eben versteht, auch die zukünftigen Kunden an sich zu binden während man in Deutschland allerhöchstens eine winzige Spielzeugecke für Kleinstkinder mit einem Eimerchen Legosteinen in einem Kaufhaus findet. Da müssen, oder besser sollten, wir noch viel lernen. Konsequent gibt es gleich nebenan mit dem Century Theatre einen riesigen Kinokomplex. Das Prinzip ist genauso simpel wie einleuchtend: holt die Leute ins Haus, einige kaufen schon irgendwas, auch wenn sie nur ins Kino wollen. Und das Kino profitiert umgekehrt sicher auch von den müde gelaufenen Kunden.
Um kurz vor 21 Uhr beendeten wir unseren Besuch in der Great Mall of the Bay. Ein eindrucksvolles Einkaufserlebnis lag hinter uns; sicher nicht für jedermanns Geschmack, aber durchaus ein paar Stunden wert - zumal in den weniger mit Programm vollgeplanten Abendstunden.
Geöffnet ist die Great Mall (447 Great Mall Drive, Milpitas CA 95035) von Montags bis Samstags von 10 bis 21 Uhr und Sonntags von 11 bis 20 Uhr.
(c) Stefan Kremer - Alle Rechte vorbehalten
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